UMSETZUNG

Die Gebäude, die dem Markt entzogen werden, eröffnen einen neuen Horizont.

«CasaLibera; das Hausgemeinschaft-Syndikat» konzentriert sich auf vier Ziele:

  1. Die Entstehung sicherer, bezahlbarer und selbstverwalteter Räume zu unterstützen und politisch durchzusetzen – Räume zum Wohnen, zum Arbeiten oder um sich zu organisieren.
  2. Die Verhinderung von spekulativem Weiterverkauf und Profit an einer Liegenschaft, indem die Liegenschaft vom Markt genommen wird.
  3. Die Ermöglichung von Wissens- und Solidar-Transfer zwischen alten und neuen Projekten.
  4. Die Unterstützung von neuen, selbstorganisierten und herrschaftskritischen Projekten, die den Grundsätzen des Hausgemeinschaft-Syndikat entsprechen.

HÄUSER KOLLEKTIV ANEIGNEN

Trotz der Unterschiede findet sich bei allen Hausprojekten eine vergleichbare Ausgangssituation:

  • Sei es eine Gruppe Menschen, die leere Häuser ins Visier nimmt und endlich zusammen wohnen wollen. Sie suchen ausreichenden und vor allem selbstbestimmten Wohnraum, häufig auch in Kombination mit öffentlichen Räumen für Veranstaltungen, für Gruppen, Projekte und Betriebe.
  • • Oder seien es langjährige Bewohner*innen eines Hauses, die sich nicht resigniert den Verkaufsplänen der Hausbesitzenden fügen, sondern eine Vision entwickeln: Die Übernahme «ihres Hauses» in Selbstorganisation.
  • Oder seien es die Besetzer*innen eines sogenannten Abrissobjektes, die nach einem Ausweg suchen, aus der Unsicherheit von Räumungsdrohungen oder den ermüdenden Verhandlungen.
  • Oder sei es eine bestehende Genossenschaft, welche Teil eines grösseren solidarischen Netzwerks werden will.

Allen gemeinsam ist der kollektive Wunsch nach einem Haus, in dem es sich selbstbestimmt leben lässt, dem nicht irgendwann die Zwangsräumung oder Abrissbirne winkt; mit bezahlbaren Räumen, die nicht durch Hausverkauf oder Umnutzung latent bedroht sind. Dieser Wunsch steht am Anfang eines jeden Projekts.

Wie wir wissen, werden Mietshäuser, die eine dauerhafte kollektive Selbstbestimmung der Bewohner*innen vorsehen, auf dem normalen Immobilienmarkt nicht angeboten. Also fasst die betreffende Gruppe irgendwann den kühnen Plan, einen Haus-Verein zu gründen, um das Objekt der Begierde einfach zu kaufen.

DIE KAPITALFRAGE

Leider geht der starke Wunsch der Projektinitiative nach einem selbstorganisierten Hausprojekt so gut wie immer einher mit einer äußerst schwachen Kapitalausstattung der Mitglieder. In Anbetracht der erforderlichen Mittel hat sie allenfalls symbolischen Charakter. Denn für den Erwerb der Immobilie muss der Haus-Verein Hunderttausende von Franken leihen: Mit Krediten von der Bank und/oder direkt von Menschen, die das Projekt unterstützenswert finden und dort ihre Ersparnisse parken («Direktkredite»; darauf wird noch eingegangen). Das ist keine einfache Aufgabe.

Denn Kredite kosten laufend Geld, nämlich Zinsen. Sie betragen oft mehr als 3/4 der Mietzahlungen. Soll die Miethöhe sozial noch erträglich sein, ist der Spielraum äußerst knapp und das Projekt nur bei sehr niedrigen Kreditzinsen finanzierbar.

Die Anfangsphase, in der die Zinskosten am höchsten sind, gleicht bei jedem Hausprojekt einem ökonomischen Drahtseilakt. Dazu gesellen sich erlebnispädagogische Streifzüge der Gruppe in die fremde Welt der Kaufverhandlungen und der politischen Durchsetzung, der Rechtsformsuche und der Kreditwerbung, der Gruppenfindungsdynamik und nicht zuletzt der Bauaktivitäten. Auf dem Weg zum eigenen Haus muss jede Projektinitiative einen wahren Hindernisparcours durchlaufen. Das könnte einfacher sein.

WISSENSTRANSFER UND SOLIDARBEITRAG; DEN AUSGLEICH ORGANISIEREN

Richten wir den Blick über die Grundstückgrenze des einzelnen Hausprojekts und beziehen wir andere Hausprojekte in die Überlegungen mit ein. Es ist zwar richtig, dass alle Projekte in ihrer Anfangsphase in einer ähnlich schwierigen Situation sind. Aber Jahre später sieht die Lage in der Regel anders aus. Da bei einer größeren Anzahl von Projekten nicht alle gleichzeitig in der schwierigen Anfangsphase sind, drängt die Gegenüberstellung die Überlegung auf, einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Situationen verschiedener Hausprojekte zu schaffen:

  • Wissenstransfer: Etablierte Altprojekte können neue Projektinitiativen beraten und ihr Wissen zur Verfügung stellen: Man muss das Rad nicht jedes Mal neu erfinden. Der Verein schafft Strukturen, die zum Austausch und gegenseitiger Hilfe zwischen den Hausprojekten beitragen. Erfahrene Altprojekte bieten ihre Hilfe und ihr Wissen an, um Hürden für Neuprojekte zu senken. Insbesondere in juristischen und konzeptionellen Fragen kann viel Wissen transferiert werden. Und sie können in politischen Auseinandersetzungen bei umkämpften Immobilien öffentliche Unterstützung leisten.
  • Solidarbeitrag: Die Altprojekte sollen Überschüsse zu Gunsten neuer Projektinitiativen transferieren, statt ihre wirtschaftlichen Spielräume durch regelmäßiges Aufpeppen des Wohnstandards und/oder Mietsenkungen für sich zu verbrauchen. Bei einem neu gegründeten Hausprojekt fliesst der Hauptteil der Mieteinnahmen in die Begleichung der Hypothekarzinsen und zur Rückzahlung der Hypothek. Nach Abzahlung der Hypothek werden durchschnittlich nur 15% der anfänglichen Mieten zur Begleichung der Verwaltungs- und Unterhaltskosten benötigt. Was bedeutet, dass nach der Begleichung der Hypothek durchschnittlich 80% der Mieteinnahmen übrigbleiben. Das Hausgemeinschaft-Syndikat fungiert dabei als Gefäss, das die bestehenden Haus-GmbHs sowie neue Haus-GmbHs vereint. Bestehende Haus-GmbHs zahlen jeweils einen Solidarbeitrag ein. Die Höhe dieses Betrags kann selber festgelegt werden, unter Berücksichtigung des Alters und der ökonomischen Möglichkeiten der Hausprojekte und ihrer Mitglieder. Die Hypothek wird abbezahlt und Stück für Stück kann ein grösserer Solidarbeitrag dem Hausgemeinschaft-Syndikat einbezahlt werden, wodurch sich wiederum neue Projekte finanzieren lassen. Im Grossen und Ganzen kann man dies als eine Querfinanzierung bezeichnen; Hausprojekte sind anfangs Geldnehmer und werden dann zunehmend zu Geldgebern. Will eine neue Haus-GmbH ein Haus kaufen, kann sie dem Hausgemeinschaft-Syndikat beitreten und für Startkapital anfragen. Für die restliche Finanzierung ist es sinnvoll, wenn die Haus-GmbH möglichst viele zinslose Darlehen aufnimmt, um unabhängiger von Banken zu werden. Das ermöglicht auch weniger Eigenkapital der Bewohner*innen und somit weniger Besitzansprüche.
  • Inspiration: Umgekehrt kann der Kontakt mit neuen Projektinitiativen und deren Dynamik, sowie die damit einhergehende indirekte Teilhabe an aktuellen politischen Auseinandersetzungen um ein neues Hausprojekt wieder Bewegung in das stehende Gewässer mancher Altprojekte bringen.

Ein solcher Ausgleich zwischen autonomen Hausprojekten geht aber nicht von selbst über die Bühne, sondern will organisiert sein: Es muss vor allem eine dauerhafte Verknüpfung zwischen den Projekten hergestellt werden, die den Transfer der Ressourcen und die dafür erforderliche Kommunikation möglich macht. Die Organisation eines solchen Solidar-Zusammenhangs ist eine Idee des Hausgemeinschaft-Syndikats. Die Vereinsstatuten des Syndikats benennen als Ziel, die Entstehung neuer selbstorganisierter Hausprojekte zu unterstützen und politisch durchzusetzen.

AUSGLEICH ZWISCHEN ALTEN UND NEUEN HAUSPROJEKTEN

Ausgleich zwischen alten und neuen Hausprojekten.
Ausgleich zwischen alten und neuen Hausprojekten.
Ausgleich zwischen alten und neuen Hausprojekten.

KEINE PRIVATISIERUNG; WEDER PRIVATEIGENTUM NOCH SPEKULATION

Bei den langen Zeiträumen, die unserem Plan zu Grunde liegen, könnten negative Entwicklungen auftreten. Was ist, wenn Hausprojekte, die in die Jahre kommen und über nennenswerte ökonomische Spielräume verfügen, auf den Solidarbeitrag pfeifen und sich aus dem Verbund verabschieden? Besonders fatal wäre, wenn kollektives Eigentum nach Jahren oder Jahrzehnten entgegen den besten Absichten und Festlegungen der Gründer*innen-Generation gewinnbringend verkauft und/oder privatisiert würde. Beispiele dafür gibt es in der Geschichte selbstorganisierter Projekte genügend. Wie idealistisch und sozial die Statuten einer isolierten Hausgenossenschaft auch formuliert sein mögen, mit einer entsprechenden Mehrheit der Mitglieder könn(t)en Beschlüsse zur Privatisierung bzw. zum Hausverkauf gefasst und, falls erforderlich, die Statuten geändert werden.

Um solchen Entwicklungen einen Riegel vorzuschieben, weisen alle Hausprojekte des Hausgemeinschaft-Syndikats eine Besonderheit auf: Der Eigentumstitel der Immobilie liegt nicht unmittelbar beim Haus-Verein, sondern bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Diese Haus-GmbH hat genau zwei Gesellschafter, zum einen den Haus-Verein, zum anderen das «Hausgemeinschaft-Syndikat». Dieses setzt sich aus allen Mitgliedsprojekten zusammen, und ist zudem selbst Gesellschafter in allen Haus-GmbHs . So fungiert das «Hausgemeinschaft-Syndikat» als eine Art Kontroll- oder Wächterorganisation. In bestimmten Angelegenheiten wie Hausverkauf, Umwandlung in Eigentumswohnungen, dem Austritt aus dem Syndikat, sowie Statutenänderungen oder ähnlichen Zugriffen auf das Immobilienvermögen hat das Hausgemeinschaft-Syndikat Stimmrecht, und zwar genau eine Stimme. Die andere Stimme hat der Haus-Verein. Das hat zur Folge, dass in diesen Grundlagenfragen eine Veränderung des Status quo nur mit Zustimmung beider Gesellschafter beschlossen werden kann: Weder der Haus-Verein noch das Hausgemeinschaft-Syndikat können überstimmt werden. Durch das Veto des «Hausgemeinschaft-Syndikat» wird die Spekulation verhindert, auch wenn eine neue Generation die ersten Bewohner*innen ersetzt hat.

Wenn eine Immobilie das kollektive Eigentum eines Hausprojektes innerhalb des Hausgemeinschaft-Syndikats ist, haben die Bewohner*innen das Recht, ihren Raum zu nutzen wie sie wollen, können ihn aber nicht verkaufen oder vermieten, um einen Gewinn zu erzielen. Die Räumlichkeiten sind also z.B. Wohnraum, aber kein Kapital.

Daher entkoppelt diese Organisation das traditionell verknüpfte Konzept von Eigentum und Wiederverkauf (=Gewinn) effektiv und schafft eine neue Eigentümmer*innen-Struktur, die Empowerment und Erschwinglichkeit gewährleistet.

Diese Gebäude, die dem Markt entzogen werden, eröffnen einen neuen Horizont. Ein Horizont bei welchem das Recht auf die Nutzung eines Raumes von der Notwendigkeit abhängt, darin zu leben, zu arbeiten oder sich zu organisieren.

Auf diese Weise wird das Recht auf Privateigentum von seiner kapitalistischen, spekulativen und individuellen Dimension abgeschnitten, um nur das Recht auf kollektive Nutzung zu behalten.

ANTIAUTORITÄRE PROJEKTE

Das Ziel ist, emanzipatorische Projekte zu unterstützen sowie unterdrückende Strukturen zu vermeiden und aktiv zu bekämpfen. Das Syndikat bietet daher keine Unterstützung für Projekte an, die strukturell die Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen und Tieren sowie die Zerstörung der Natur implizieren. Zum Beispiel haben ein Wohnprojekt, das die Räumung von Vormietern erfordert, ein evangelisches Lokal, ein Ort an dem sogenannte «Nutz»-Tiere gehalten werden, oder ein Biolebensmittelgeschäft, das hierarchisch mit einem Boss und seinen Mitarbeiter*innen organisiert ist, keinen Platz in dem Hausgemeinschaft-Syndikat.

SELBSTORGANISATION UND AUTONOMIE

Damit aber das Selbstbestimmungsrecht der Mieter*innen nicht von der «Wächterorganisation» ausgehebelt werden kann, ist das Stimmrecht des Hausgemeinschaft-Syndikats auf wenige Grundlagenfragen beschränkt. Bei allen anderen Angelegenheiten hat generell der Haus-Verein alleiniges Stimmrecht: Wer zieht ein? Wie werden Kredite besorgt? Wie wird umgebaut? Wie hoch ist die Miete? Wie werden Finanzen und Verwaltung organisiert? Diese Entscheidungen und die Umsetzung ist alleinige Sache derjenigen, die im Haus wohnen, arbeiten oder aktiv sind.

Darüber hinaus sind die Haus-GmbHs und das Syndikat wirtschaftlich unabhängig, in dem Sinne, dass der Konkurs eines Hausprojektes nicht das gesamte Netzwerk gefährdet.